Samstag, 27. Oktober 2012

Agent wider Willen

Thomas Künzl in der MainPost über das neue Buch von Nils Aschenbeck:

"Schafft man den gedanklichen Spagat, James Bond, Axel Springer und Adolf Eichmann in ein einziges Buch zu zwängen? Dabei auch noch zusätzlich die gesamte Geschichte der 20. Jahrhunderts als Hintergrundstory laufen zu lassen. Dem in Bad Kissingen lebenden Autor Nils Aschenbeck ist dieses Wagnis tatsächlich geglückt. ... Aschenbecks Buch enthält eine ungeheure Dichte an historischen Fakten. Die erzählt er in Lockerheit und schafft es trotz aller Dramatik der Geschehnisse ein sympathisches Augenzwinkern beizubehalten."

Zum Artikel.

Freitag, 26. Oktober 2012

Jugendstil in Görlitz

Salomonstraße
Salomonstraße, Görlitz
In Görlitz soll zwischen der Berliner und der Salomonstraße ein neues Einkaufszentrum entstehen.Die Bilder zeigen das wohl interessanteste Gebäude, das hier bedroht ist: ein Jugendstil-Geschäftshaus aus dem Jahr 1899. Es ist komplett originalgetreu erhalten, steht aber leer. Besonders sehenswert sind die Baudetails - so die Wolken blasenden Engelsfiguren.

Montag, 15. Oktober 2012

Görlitz




Blick aus dem Hotelfenster - so beginnt ein Wochenende in Görlitz ... Morgen mehr.

Sonntag, 7. Oktober 2012

Agent wider Willen

Rechtzeitig zur Buchmesse erscheint Nils Aschenbecks neues Buch: Agent wider Willen. Eine erste Lesung findet am 24. Oktober in der Stadtbücherei Bad Kissingen statt (19.00 Uhr).


Sonntag, 5. Februar 2012

Heute ein kleiner Text zu meinem Großvater. Eingestellt auf der Seite lueben-damals.de, einem bewundernswerten Erinnerungsprojekt zur einst deutschen Stadt Lüben.

Text und vor allem auch die Bilder unter www.lueben-damals.de/erinnerungen/aschenbeck.html



Der Kulturbaumeister Johann Hermann Aschenbeck 
Kreisbaumeister in Lüben, Baurat in Liegnitz

Johann Aschenbeck mit seiner ersten Frau
 
Mein Großvater, der am 29. September 1878 geborene Johann Aschenbeck, stammte aus dem kleinen oldenburgischen Dötlingen. Dem auf einem Geestrücken an dem Fluß Hunte gelegenen Dorf kam zur deutschen Olympiade 1936 der zweifelhafte Ruhm zuteil, als deutsches "Musterdorf" bezeichnet und beworben zu werden. Damals sollten sogar ausländische Gäste mit Bussen nach Dötlingen gekarrt werden, damit diese deutsches Bauerntum kennen lernen. Die Busse blieben aus, das "Musterdorf" war nicht mehr als eine fixe Idee, aber Dötlingen war trotzdem schön.
Johanns Vater Diedrich (1858-1929), mein Urgroßvater, wirkte um 1900 als "Wiesenbauer". Er organisierte mit großem Erfolg die Dötlinger "Rieselwiesengenossenschaft". Er plante und realisierte ein Bewässerungssystem, das Huntewasser mittels fein verästelter Gräben über die Wiesen führte. Ziel war, die Heuerträge zu steigern. Bis zur Mechanisierung der Landwirt-schaft waren derartige Bewässerungsgenossenschaften in ganz Deutschland üblich. Allerdings erforderte das empfindliche Grabensystem eine Heuernte von Hand, mit der Sense. Als in den 1950er Jahren die Trecker aufkamen, wurde die Riesel-wirtschaft aufgegeben.
Diedrichs Haus, die ehemalige Ölmühle, lag direkt an der Hunte und an dem von ihm entworfenen Huntestau. Diedrich hatte zehn Kinder, von denen zwei bei der Geburt starben.
Johann war der Erstgeborene. Wie sein Vater erlernte Johann den Beruf des Wiesenbauers und besuchte die Wiesenbau-schule in Suderburg. Mit 25 Jahren bekam er Arbeit in der Moorkolonie Bismarck in Ostpreußen. Er war Anfang 30, als er 1910 die zehn Jahre jüngere Hedwig Hahn aus Ischdaggen (Kreis Darkehmen) heiratete. Mit Hedwig hatte er zwei Kinder: Heinz-Dieter (geboren 1910), der Mitte der 1930er Jahre auch die Suderburger Wiesenbauschule besuchte, in dritter Generation, und Christel (1919-2008). Vermutlich um 1932 gingen Johann und seine Familie nach Lüben, wo Johann die Stelle des Kreisbaumeisters übernahm - in der Nachfolge des verstorbenen Baumeisters Zschau.
Aschenbeck kümmerte sich wie sein Vater vor allem um den "Wiesenbau", um die Begradigung von Wasserläufen und die Bewässerung der Wiesen. Über Aschenbecks Wirken schreibt Rudolf Schröther in "Die Wasserläufe im Kreis Lüben" im Lübener Heimatblatt 5/1979 S. 10:

"Regen Anteil an dem Ausbau der Wasserläufe, der Errichtung von Dränungen und anderen Kulturmaßnahmen hatte der weit bekannte Kulturbaumeister und spätere Baurat Aschenbeck. Ihm oblag auch die Gründung von Genossenschaften, die dann die Entwässerungsmaßnahmen durchzuführen hatten. Nun kann sich auch ein Laie auf diesem Gebiet vorstellen, welche Schwierigkeiten dabei auftraten. Schließlich soll sich jeder Beteiligte je nach dem errechneten Vorteil, den er aus der Entwässerung hatte, an deren Koten beteiligen. Und wenn es dann um diesen Punkt ging, wollte möglichst keiner Nutzen von der Maßnahme haben. Dann war es immer Aschenbeck, der es mit seiner Ruhe und seiner speziellen Art, mit Menschen umzugehen, verstand, die Verhandlungen zu dem gewünschten Abschluß zu bringen. Dabei war er ja nicht einmal Schlesier, sondern stammte aus Oldenburg. Aber in den vielen Jahren, in denen er das Kreisbauamt leitete, hatte er sich in die Denkweise unserer Bauern so eingelebt, daß er manchmal mit ihnen besser als ein Ortsansässiger fertig wurde. Er ließ die vielen Maßnahmen, die durchgeführt werden sollten, nach den damals gültigen Regeln planen und ausführen, wodurch besonders bei Dränungen und Binnenentwässerungen viel Nutzen entstand. Somit hat er zur wirtschaftlichen Verbesserung vieler bäuerlicher Betriebe maßgeblich beigetragen. Er wird sicher noch heute in der Erinnerung vieler Bauern weiterleben."

Über Johann Aschenbecks Jahre in Lüben wissen wir außer diesem kurzen Bericht nur wenig. Nicht einmal der Standort seines Hauses ist überliefert. Ein Foto aus diesen Jahren zeigt uns Christel, wie sie im "Luisenbund" Anschluß an die jungen Frauen der Stadt suchte. Christel, deutlich eine der Jüngsten im Verein, steht viel zu ernst für ihr Alter im Kreis der ausgelassenen einheimischen Frauen. Offensichtlich hat sie zu niemanden der Runde einen engeren Kontakt. Vielleicht zeigt das Bild aber auch ihre anhaltende Trauer über den Tod ihrer Mutter. Hedwig Aschenbeck starb in der ersten Hälfte der 1930er Jahre. Wann genau und was zu ihrem frühen Tod geführt hat, ist nicht bekannt.
Im Jahr 1936 heiratete Johann die Lübenerin Helene Tschorsch, die Tochter des Antiquitätenhändlers Tschorsch, der an der Liegnitzer Straße 42 sein Geschäft betrieb. Irmgard Hilbrink erwähnt ihn und sein Geschäft in ihren Erinnerungen.
Aus dieser zweiten Ehe gingen die Kinder Udo (* 1939 in Liegnitz, † 1995 in Hamburg), Rolf (* 1943 in Liegnitz) und Peter (geboren 1945 auf der Flucht) hervor. Udo Aschenbeck erreichte später eine gewisse Bekanntheit als Schriftsteller (Südlich von Tokio, Frankfurt am Main 1987; Woll, Hamburg 1994).
Kurz vor Kriegsende wurde Johann zum Baurat in Liegnitz befördert - in der Großstadt konnte er jedoch kriegsbedingt nicht mehr wirken. Sein Sohn Udo bescheibt in "Woll" das nahende Ende:
"Der Buh kommt! Der Buh kommt!" rief ich wieder, als das Geräusch einer Flugzeugstaffel ins Zimmer drang.
"Das sind Flugzeuge, die tun uns nichts, die fliegen weiter nach Polen." Vater schlug die Wagentür zu. 
"Bisher haben wir Glück gehabt. Schlesien ist die reinste Schlafkammer in diesem Krieg."
Schnell endete die trügerisch ruhige Zeit. Ende Januar 1945 begab sich die Familie zusammen mit Schwiegervater Tschorsch und Else, der Schwester von Helene, die den Lübener Gärtner Hans Ihm aus der Steinauer Straße geheiratet hatte, auf die Flucht. Dazu benutzten sie das eigene Automobil, vollgepackt mit Lebensmitteln und Alkohol - Tauschware und Überlebenshoffnung in einer ungewissen Zukunft.
Über die Flucht, die über Sachsen und Bayern nach Dötlingen führte, ist kaum etwas überliefert. Wurde ihnen der Wagen abgenommen? Udo beschreibt eine entsprechende Szene auf dem Dresdener Hauptbahnhof. Unter welchen Bedingungen wurde Peter geboren? Was haben sie erlebt, gesehen? Wie in Millionen anderen traumatisierten Flüchtlingsfamilien wurde darüber nicht gesprochen. Es ist zu bezweifeln, dass unsere Vorstellungskraft ausreicht, sich davon ein Bild zu machen.
Johann Aschenbeck hatte das Glück, in Dötlingen über ein Erbe zu verfügen: ein großes, direkt an der Hunte gelegenes Grundstück. Johann verkaufte den attraktivsten Teil des Landes an einen Bremer Kaufmann, hatte dadurch genügend Geld für den Kauf von Baumaterialien, und begann auf dem verbliebenen Teil mit dem Bau eines Hauses. Im Alter von 67 Jahren erstellte er mit bloßen Händen, unterstützt von im Dorf lebenden Verwandten, ein Wohnhaus für die siebenköpfige Familie.
Die Fertigstellung des eigenen Hauses im Jahr 1949 - eines schlichten Ziegelbaus mit Krüppelwalmdach - überlebte er nur um zwei Jahre. Die Strapazen der Flucht und des Hausbaus hatten ihm so zugesetzt, dass er 1951 entkräftet starb.
Helene Aschenbeck lebte bis Anfang der 1990er Jahre in dem Haus in Dötlingen/Ölmühle. Ihre Schwester Else und ihr ebenfalls aus Lüben stammender Ehemann wohnten genau gegenüber in einem verwunschenen Landhaus mitten im Wald.
Der zu früh gestorbene Udo Aschenbeck hat sich immer wieder mit seiner Kindheit beschäftigt. Sein Roman "Woll" steckt voller Sehnsucht - Sehnsucht nach Schlesien ("In Schlesien habe ich noch ein Haus") und Sehnsucht nach Dötlingen, der zweiten oder ersten Heimat.
"Eines Tages wird er sich endgültig auf den Weg machen", heißt es über den Protagonisten Gustav, das Alter Ego von Udo, "und der Weg wird über die Sauerlandautobahn führen, über Dortmund und Münster ins Oldenburgische. Wenn der Transit die Autobahn verläßt, das Dorf durchquert, das Haus im Wald gefunden ist, wird der Schlüssel vom Nachbarn geholt. Die klammen Zimmer werden begangen, die Einrichtung gemustert." 
Nach der Hausbesichtigung - seine Mutter ist gerade in ein Pflegeheim gekommen - führt Gustav seinen Freund zum Hof des Großvaters. "Da ist mein Vater geboren, sagte ich, zeigte auf den Hof und den Acker, zum Fluß im Westen, nach Osten, die Straße hoch, auf den Wald zu beiden Seiten, vom Norden im Poggenpohl zum Süden, wo die Rieselwiesen lagen. Die Größe hatte der Hof zu Zeiten meines Großvaters, sagte ich."

JAN AKEBÄCK
(unter seinem richtigen Namen ist Jan Akebäck Enkel von Johann)

Mittwoch, 18. Januar 2012


Ein Blick auf Akebäck (Gotland). Gefunden auf "Kulturmiljöbild - The Swedish National Heritage Board's photographic database". Von Jan.

Montag, 9. Januar 2012

Gotland. Ingmar Bergman, der italienische Partisan und die schweigenden Bäcker.

Wir lagen in den Sesseln der fast leeren Fähre, hatten ein Shrimpssalat hinter uns und sahen schwedisches Kino. Die Schauspieler rannten zwischen den roten Hütten im fahlen Licht der Sommernacht – und sie stritten. Sie schimpften, weinten und manchmal versöhnten sie sich auch, um dann wieder von vorne anzufangen. Ich musste an Ingmar Bergmans Persona denken, ein intensiver, die Grundbedingungen der Existenz bearbeitender Film, der auf Gotland, auf Farö, gedreht wurde. Mir wurde klar, das Gotland nicht Capri ist, hier wartete kein dolce vita, schon gar nicht im November.
Wir nähern uns der Insel. Kurz vor Mitternacht sehen wir die ersten Lichter der Hansestadt, des Weltkulturerbes. Aber wir waren noch nicht am Ziel. Nachdem wir den im Scheinwerferlicht gleissenden Bauch der Fähre verlassen hatten, tauchten wir ein in die gotländische Dunkelheit, fuhren über leere Landstraßen immer tiefer in die Nacht.
Eine Insel bildet stets eine Welt für sich – mit eigenem Klima, eigener Kultur und andersartigen Menschen. Nach 40 Minuten Fahrtzeit führte uns das Navigationssystem von der Hauptstraße ab, hinein in eine Wacholderwildnis. Kaninchen rannten dutzendfach durch das Scheinwerferlicht und irgendwann erreichten wir eine kleine Siedlung mit fünf, sechs Ferienhäusern. Endlich Zuhause. Ein Zuhause für 14 Tage. Das Kaminholz lag bereit und wir konnten mit gutem Gefühl in die schnell gemachten Betten sinken.
Am nächsten Morgen fuhren wir bei sechs Grad plus in den nächsten Ort. In Ljugarn sollte es einen Bäcker geben. Aber die Tür von Espegards war verschlossen, nur ein Hinweisschild zeigte uns den Weg zur „Bakdörren“. Tatsächlich: Hinter der Hintertür lag die Backstube. Der Bäcker und sein Gehilfe ignorierten uns vollständig. Aber es gab eine Schüssel mit Brötchen, einen Stapel mit Papiertüten und eine Schale für das Geld. Wir bedienten uns – die Schweden lieben Selbstbedienung – verabschiedeten uns mit einem unerwidert bleibenden „hej hej“ und begannen einen sonnige Tag auf neuem Territorium.
Einst war Gotland die reichst Insel der Welt. Im Mittelalter fraßen die Schweine aus silbernen Trögen, so heißt es. Der dänische König Waldemar Atterdag hatte im frühen 14. Jahrhundert so viel Verlockendes von der reichen Insel gehört, dass sein Begehren endlich gestillt werden musste. 1361 hatte er seine Truppen zusammen und fuhr mit einer Armada in das Zentrum der Ostsee.
Die gotländischen Bauern, wohlhabender als alle anderen Bauern der damaligen Welt, konnten den Angreifern wenig entgegen setzen; ein friedlicher Menschenschlag, der vom globalen Handel bis zum Schwarzen Meer lebte. Die Gotländer unterhielten keine Truppen, besaßen keine Geschütze und verschanzten sich hinter keinen Festungen. Die alten heidnischen Fornburgen waren längst verwildert. Als die gierigen Soldaten des dänischen Königs in die alten Wikingerhäfen einfielen, stellten die Bauern schnell ein Heer zusammen. Aber die dänischen Soldaten ermordeten die unerfahrenen, oft noch blutjungen Bauernsoldaten und raubten die Schätze – zumindest die, die sie finden konnten.
Es heißt, dass Atterdags Schiffe schwer beladen mit Gold und Silber zum Rückweg nach Kopenhagen aufbrachen, dann aber in schwerer See untergingen. Immer wieder wurde nach den Schiffen und nach der Ladung gesucht – aber kein goldener Barren und kein einziger silberner Löffel wurden bislang auf dem Grund der Ostsee gefunden.
Nach einigen Tagen hatten wir uns an den Rhythmus der Insel gewöhnt. Im November blieben unsere Nachbarferienhäuser verlassen. Wir lebten alleine im einsamen Wacholderwald. Der Golfplatz war verwaist, die Restaurants geschlossen. Wir unternahmen lange Spaziergänge an der Ostsee. Besuchten Felsformationen, die in der Brandung stehen, so genannte Raukar, und sammelten Fossilien, die hier überall am Strand liegen. In Ljugarn suchten wir das Wohnhaus des Malers Louis Sparre, der hier eine winzige Künstlerkolonie begründet hatte, und erkundeten eine kleine, zugewachsene Fornburg. Ich erzählte meiner Frau, dass wir nach Maulwurfshügeln Ausschau halten sollen. Vielleicht haben die Maulwürfe ein paar Gold- oder Silbermünzen ans Tageslicht gebracht. Vielleicht.
Als der dänische König über die Insel zog, hatten die Bauern ihre Schätze im Boden versenkt. Noch immer werden jedes Jahr Silberschätze auf Gotland gehoben. Meist legen Bauern beim Pflügen unerwartete Münzverstecke frei. Bei dieser Funddichte sind aus gutem Grund Metallsuchgeräte verboten – Gotland soll kein Abenteuerspielplatz für die Schatzsucher der Welt werden.
Der dänische König zog ab, das Land und die Hansestadt waren zerstört, tausende Bauern ermordet und Reichtümer geplündert. Es folgten Jahrhunderte in Armut. Noch heute spürt man eine tiefe Traurigkeit auf der Insel, ein Nachklingen alter, goldener Zeiten. Die Gotländer lebten in den Jahrhunderten nach der Katastrophe von der Landwirtschaft oder vom Kalkbrennen. Mehr schlecht als recht. An der Ostküste erinnern heute verlassene und ruinöse Häfen an den Handel mit gelöschtem Kalk und Kalksteinen.
In einem der aufgelassenen Fabrikgebäude auf der Insel Furillen ist inzwischen ein Designhotel ansässig, das den industriellen Charme ausnutzt und den passenden Namen „Fabriken“ trägt. Es steht inmitten eines alten Steinbruchs und verwöhnt den Besucher mit einer existentiellen Atmosphäre, in denen man Ingmar-Bergman-Filme sehen sollte. Oder auch nicht, wenn man auf Novemberdepressionen verzichten will.
Von einer besonderen und tragischen Geschichte erfahren wir auf dem Kirchhof von Östergarn. Hier wurden die deutschen Soldaten beigesetzt, die vor der Ostküste Gotlands in dem von Russen torpedierten Schlachtschiff Albatross gestorben waren. Das war 1915 gewesen, im Ersten Weltkrieg. Auf einem Grabstein an der Kirche lesen wir Löwenberg, Natschke, Hoppe, Laube, Dittmer, Geyer … und weitere 23 deutsche Namen.
Nach den Kriegen wurde Gotland Zufluchtsort. Für Mitteleuropäer, die den Bombenkrieg erlebt hatten, war Gotland ein abgelegenes Paradies, unberührt von den Schrecken des 20. Jahrunderts. 1948 kam der italienischer Bäcker Luigi Muttoni, der als Partisan in deutschen Gefängnissen gesessen hatte, auf die Insel. Er übernahm Espelgards Café in Ljugarn und bot den Gotländern bis 1979 italienische Backwaren.
Doch mit dem Kalten Krieg wurde auch das Militär ein wichtiger Arbeitgeber auf der Insel. Ganz Nordgotland wurde als Spergebiet erklärt, überall an der Ostküste entstanden Bunker und Abhöranlagen, von denen aus die Ostsee und der Osten beobachtet wurden. Im Norden von Gotland, mitten im ehemaligen Sperrgebiet, lebte bis zu seinem Tod im Jahr 2007 Ingmar Bergmann. Hier konnte er ungestört von ausländischen Touristen (sie durften Farö nicht betreten) seine Filme realisieren. In einer ehemaligen Scheune hatte er ein privates Kino eingerichtet, einen Vorführraum für großes Kino – nur für ihn.
Nach dem Tod Bergmans hat nun ein norwegischer Mäzen sein Anwesen übernommen. Stipendiaten aus dem Film- und Fernsehbereich wohnen und arbeiten nun jeweils eine Saison in dem Landhaus des Regisseurs. In der benachbarten Schule Farö wird nach den Entwürfen der Stockholmer Architekten Tham & Videgard ein Bergman-Museum eingerichtet. Eine leuchtend rote ausgeschlagene Camera Obscura soll in architektonischen Dimensionen entstehen. In der alten Schule finden aber schon jetzt Ausstellungen und Veranstaltungen zu Ingmar Bergmans Werk statt.

Jan Akebäck